Evangelisch pilgern

Foto: Kampmann

„Ihr Protestanten pilgert? War Luther nicht dagegen?“

Ja, auch Protestanten pilgern. Und ja, Martin Luther war dagegen. Aber nicht gegen das Pilgern als „unterwegs sein zu Gott“ richtete sich seine Kritik, sondern gegen das Pilgern, das einem Zweck wie der Vergebung von Sünden nacheifert, was damalige Praxis war. Dieses Wallfahren um Gottes Vergebung zu verdienen, widerspricht Luthers reformatorischer Erkenntnis.

Luther meinte stattdessen, dass Gott uns seine Liebe schenkt, einfach so, jeden Tag neu. Die Wallfahrt war Martin Luther ein zu äußerliches Geschehen  – nur auf die Belohnung gerichtet. Für ihn war das wichtig, was sich im Herzen eines Menschen tut. Hinter der heutigen evangelischen Pilgerpraxis steht der Wunsch nach körperlicher und spiritueller Erfahrung in einer oft hektischen Welt. Nicht das Ziel – wie eine bestimmte Kirche oder ein Heiligengrab – oder die  Belohnung für den Weg stehen im Mittelpunkt, sondern das Unterwegssein, die Begegnung mit anderen Menschen, mit sich selbst, mit der Natur, mit Tieren und mit Gott.

Unterwegssein spielt als Motiv im Alten und Neuen Testament eine große Rolle. Für den christlichen Glauben – wie schon im Judentum – gilt: Gott zeigt sich den Menschen unvermutet auf ihren unterschiedlichen Lebenswegen, da wo wir uns bewegen, da wo wir Liebgewordenes zurücklassen (müssen?) oder uns auf Neues einlassen. Das kann man beim Pilgern tun und üben.

Zum evangelisch pilgern in der Gruppe gehören Lieder, biblische oder meditative Impulse und auch die Stille. So teilen wir unseren Glauben und auch unsere Zweifel. So erleben wir Spiritualität auf dem Weg, alleine und miteinander. So genießen wir das, was jeder Schritt uns – möglicherweise – schenkt.

Ein paar Übungen und Tipps für die Spiritualität bzw. die Achtsamkeit auf dem Weg haben wir hier zusammengestellt.

Literatur – auch zum Mitnehmen – finden Sie hier.